Dienstag, 1. Mai 2012

Auf dem Weg nach Timaru: "Denn ein Seemann, der hat kein Zuhaus..."

Gidday everybody, howzit going?
(So in der Art wird man hier in Neuseeland regelmäßig begrüßt... ^^)

Nach über drei Monaten "Arbeitsalltag" mit einem Dach über dem Kopf, Badezimmer, Küche und sämtlichen anderen Annehmlichkeiten nannte sich unsere neue Mission zunächst einmal wieder "Zurück an die Basis" in unsere wandelnde rote Ein-Raum-WG. Der Chally ist nun wieder sauber und winterfest, hat die neue WOF, das Öl ist aufgefüllt, er ist ausgestattet mit Gas für den Campingkocher und ausreichend Trockenfutter. Außerdem hat er ein weiteres wichtiges Reiseutensil dazubekommen: Eine herrlich dicke 2x2m-Bettdecke, die uns vor dem näher rückenden Winter und damit einhergehenden Frostbeulen bewahren soll. Nach über einem Jahr Sommer sind wir doch nichts mehr gewohnt...

Der Abschied von Richmond fiel uns mehr als schwer, und noch jetzt, drei Tage später, müssen wir schwer schlucken und uns die ein oder andere Träne verkneifen, wenn wir daran zurück denken. Als wir jedoch erst einmal die Bergkämme passiert hatten, die den Nelson District von der Marlborough-Region trennen, versuchten wir positiv zu denken und im wahrsten Sinne des Wortes nach vorn zu schauen. (Hatten wir schon erwähnt, dass wir mindestens noch einmal zurückkommen werden?)


Letztlich haben wir nicht eine Münze, sondern den Wetterbericht entscheiden lassen, dass wir die Ostküste entlang nach Süden fahren wollten - nicht zuletzt auch deshalb, weil der Weg uns dann durch die Marlborough-Weinregion führt, wo wir uns noch ein letztes Mal an der herrlichen Laubfärbung ergötzen konnten! :D Unseren ersten Stopp legten wir in Blenheim (sprich: Blennim) ein. Kay und Lindsay, Freunde von Fran und Larry, leben abwechselnd hier und in Richmond. Wir hatten die beiden schon ein paar Mal in Richmond getroffen und sie haben uns eingeladen, bei ihnen unterzukommen, wann immer wir in der Nähe sind. Mit Kay hatten wir einen herrlich entspannten Abend mit Bubbly (= Sekt) und lecker Abendessen. Ausgestattet mit ein paar zusätzlichen Reisetipps ging es am nächsten Morgen weiter. 


Highfield Estates bei Blenheim, von wo aus man eine tolle Aussicht über einen winzigen Teil der hiesigen Weingüter haben soll... 
... und hat!
Daaa irgendwo ist Nelson!
 
Die Laubfärbung, die hier, wie auch in Nelson, völlig unbemerkt eingesetzt hat, hat uns auf dem Weg umgehauen. Sooo intensive Farben und Gerüche... Wir mussten ständig anhalten, um eine kleine Runde zu gehen, die Landschaft zu genießen und Fotos zu knipsen! :)

 

Die Route von Blenheim nach Kaikoura (der Motorway 1, der vom Norden der Nordinsel zum Süden der Südinsel führt), ist landschaftlich sehr schön. Die Strecke führt immer an der Küste entlang und man kann schroffe Felsen, die raue See und den ein oder anderen Surfer bewundern... Für einen Zwischenstopp empfehlen wir allen das Restaurant und Café "The Store" in Kekerengu: Es ist urgemütlich und hat eine tolle Terrasse, auf der es sich im Sommer sicher wundervoll sitzt. Außerdem gibt's hier die besten Scones, die wir je gegessen haben!


  

 

Kaikoura ist ein nettes, wenn auch mal wieder sehr touristisches Plätzchen. Wahrscheinlich platzt der Ort im Sommer aus allen Nähten, sobald hier wieder "Schwimmen mit Delfinen", "Tauchen mit Seelöwen" und "Schippern mit Walen" angeboten wird. Wir hatten nur eine kurze Rundfahrt im Chally und haben inzwischen beschlossen, vielleicht noch einmal für eine der o.g. Touren vorbeizukommen, wenn es etwas wärmer ist! :)


lazy seals

Blick auf die Kaikoura Peninsula

Weiter nach Süden führte uns der Weg durch den kleinen Ort Cheviot, wo wir nach einer kleinen, verdammt preisintensiven Tanksession (hier wird der Sprit auch immer teurer) den Motorway verließen. Wir folgten einer etwa 20km langen Route, um nach Gore Bay zu fahren, von wo aus man einen tollen Ausblick auf das Meer und die orgelpfeifenartigen Cathedral Cliffs hat.

 

Cathedral Cliffs
Im Fast-Dunkel erreichten wir schließlich Christchurch. Eigentlich wollten wir uns schon da etwas vororientieren, bevor wir am nächsten Tag eine kleine Tour durch die gebeutelte Stadt machen wollten. Es war aber unmöglich, sich zwischen den viele Straßensperren und Baustellen auch nur annähernd zu orientieren, so dass wir uns schnell einen Schlafplatz am Stadtrand suchten und zum ersten Mal seit langem wieder im Chally einschliefen.

Am nächsten Morgen machten wir uns dann auf den Weg in die Innenstadt. Es fällt uns sehr schwer, zu beschreiben, wie bedrückend die Stimmung in der Stadt war... 14 Monate nach dem verheerenden Erdbeben findet man an jeder Ecke brache Flächen, tiefe, die Straßen durchlaufende Risse, halb abgerissene oder von Pfeilern gestützte Gebäude, leere Wände, von der Absperrung im Zentrum ganz zu schweigen. Im Hintergrund hört man selbst zum Sonntag das unaufhörliche Rumoren der Arbeitsfahrzeuge und wohin man auch sieht, verrichten Kräne ihre Arbeit. Und zu allem Übel wurde vor ein paar Wochen bekannt gegeben, dass die Christ Church Cathedral, die seit dem Erdbeben schwer zerstört ist, nun endgültig abgerissen wird, was eine weitere tiefe Wunde hinterlässt.

Die Sperrzone im Zentrum Christchurchs
links: Die Bridge of Remembrance in Gedenken an die Kriegsopfer. Sie ist ebenfalls einsturzgefährdet.

 


 

Doch geht man durch die Cashel Street in Richtung der Bridge of Remembrance, spürt man an jeder Ecke Hoffnungsschimmer und den eisernen Willen der Stadtbewohner, Christchurch nicht aufzugeben - sei es durch den Einradfahrer, der die Touristen unterhält, den Gitarre-Mundharmonika-Percussion-Spieler, um den sich junge und alte Leute scharen oder die bunten Schiffscontainer, die momentan als provisorisches Einkaufszentrum fungieren. Und wenn man durch die Stadt geht, erkennt man deren Schönheit noch immer.


 

Da in Christchurch nichts mehr ist, wo es einmal gewesen zu sein scheint, ist es sehr schwer, sich in der Stadt zu orientieren. Bei unserem nächsten Besuch hier werden wir uns aber ein bisschen mehr Zeit nehmen, weil die Stadt trotzdem noch viele Sehenswürdigkeiten zu bieten hat.

Unsere Route führte uns aber vorerst noch ein Stückchen weiter nach Süden, durch die Orte Lyttelton, Governors Bay und Lincoln. Die Strecke bot noch einmal ein paar herrliche Ausblicke auf das Wasser. (Nach Lyttelton wollten wir übrigens einzig aus dem Grund, dass Anke Richter, eine deutsche Journalisten, hier lebt. Wir haben ihr Buch "Was scheren mich die Schafe" gelesen und uns schlapp gelacht. Danke Alida! :) ) Dann war es mal wieder 18Uhr und die Dunkelheit breitete sich über uns aus, so dass wir uns nach einer Nachtschicht im Blogschreiben nahe Ashburton einen neuen Schlafplatz suchten - darin werden wir übrigens besser, wir brauchen inzwischen nur noch etwa 20 Minuten, bevor wir uns einigen können.

Blick auf Lyttelton...
... und Lyttelton Harbour

Am nächsten Morgen wurden wir von einem wundervollen Sonnenaufgang geweckt - der Himmel war so blau wie selten und die Luft fast eisig kalt -  nur noch 6°C! Völlig unbemerkt haben sich die Temperaturen während der letzten 3 Tage und 550km erstaunlich weit nach unten verlagert! Aber ein unglaublich toller Anblick war es, die Berggipfel im Westen, die wir am Abend zuvor im Dunkeln nicht gesehen hatten, mit Schnee bedeckt zu sehen! :)

 


Timaru
Über einen kleinen Umweg durch den verschlafenen Ort Geraldine gelangten wir gegen Mittag schließlich in die Hafenstadt Timaru. Rhondas Schwiegersohn Al ist hier der Kapitän auf einem der größten Fischerboote Neuseelands und sticht am 2. Mai von hier aus in See. Warum erzählen wir euch das? Wir stechen mit ihm, wir sind nämlich ab sofort waschechte Seeleute! Ab Mittwoch werden wir für etwa 6 Wochen mit der Sanford Enterprise durch den Südpazifik schippern - die Route ist noch nicht ganz klar, aber eins schon: Wir werden Hoki, eine Art Hecht, fangen! Naja, wir nicht wirklich, wir sind nur diejenigen, die den Fisch in der Fabrik ausnehmen und verpacken dürfen... Wir mussten am Montag schon gegen Mittag da sein, um an Bord zu gehen, Formalitäten zu regeln und uns mit dem Boot vertraut zu machen. 


Unsere ersten Eindrücke:
  • ein Labyrinth ist nichts gegen die San Enterprise
  • die Crew besteht nicht aus Doktoren und Anwälten
  • manche der Mitarbeiterinnen tragen ihren Hintern am Bauch
  • aus irgendeinem Grund stinkt es überall nach Fisch
Claudia bildet sich schon in Richmond ein bisschen weiter.
Morgen früh gegen 10 Uhr geht es also los - dann werden wir an 7 Tagen die Woche jeweils 6 Stunden arbeiten und 6 Stunden pausieren/schlafen. Drückt uns bitte die Daumen, dass wir nicht allzu lange seekrank bleiben und dass wir unser Fischlager schnell füllen, umso eher sind wir wieder zurück! Wir sind uns nämlich noch nicht sicher, auf was wir uns da eingelassen haben! Aber keine Sorge, wir wissen schon, dass wir keine Blümchen pflücken werden. :D Sani: "Positiverweise sind wir immerhin mit dem Käpt'n 'per Du', wenn man das im Englischen überhaupt so sagen kann..."

Die SE hat zwei neue Crew-Mitglieder.
... und die Begeisterung kennt keine Grenzen!
Das Schiff wird beladen...

Den besten Tipp für unseren Trip haben wir übrigens von Debbie, Rhondas Tochter, bekommen: "Bitte merkt euch, die Männer auf dem Boot sind hässlich! Auch noch nach 6 Wochen! Wenn ihr dann glaubt, sie sind die schönsten Männer der Welt - NEIN! Sie sind noch immer hässlich!" xD

In diesem Sinne sagen wir "Horray" und "Schiff ahoi" und wünschen euch ein paar tolle Wochen im deutschen Frühsommer!

Alles Liebe, 
Sani und Claudi