Dienstag, 12. Juni 2012

San Enterprise: Mehr Work als Travel im Südpazifik! :)


Moin moin ihr Landratten,
nicht nur auf eurer Seite der Welt hat's lang gedauert, doch: Wir sind wieder da! Ja, auch sechs Wochen Gefangenschaft und langes Arbeiten auf 'nem 64 Meter langen Fabrikschiff mit 24 Stunden-Betrieb kann uns Neuseeland nicht ungenießbar machen. Im Gegenteil, nun wissen wir den Geruch von Wald, festen Boden unter den Füßen und vollkommene Ruhe wieder voll zu schätzen. ;) Aber keine Sorge, auch die Zeit auf dem Schiff haben wir genossen und sind jetzt um eine unvergessliche Erfahrung reicher!
Mit etwas Verspätung ging's am Freitagnachmittag, 4. Mai, los in Richtung Nordosten, um, wie schon erwähnt, Hoki zu fischen. Wir hatten den Hafen kaum verlassen, da hieß es für unsere Schicht antreten, die Fabrik zusammenzuschustern. Und für die nächsten 38 Tage sollten wir nun zweimal täglich jeweils von 1 bis 7 Uhr in der Fabrik stehen, um Fisch zu packen, der - Überraschung! - in der Zwischenzeit auf dem Weg nach Deutschland sein sollte! Also, wer demnächst Käpt'n Iglo-Fischstäbchen isst, darf gern an uns denken. :)


Ein letzter Blick auf den Hafen von Timaru...

Ein ( = jeder) Tag auf dem Kutter
12.00 Uhr Aufstehen (je nachdem Mitternacht oder Mittag)
12.45 Uhr Schichtwechsel in der Fabrik (heißt, die Person, die du ablösen musst, strahlt dir entgegen), dann heißt es 6 Stunden arbeiten. Nein, wir mussten keinen Fisch ausnehmen und nein, wir mussten auch nicht schwere Netze an Deck ziehen. ;) Das Härteste an der Arbeit war, sich überhaupt an den 6 Stunden-Rhythmus zu gewöhnen und daran, währenddessen nichts anderes zu machen, als am Fließband zu stehen und monoton die gleiche Arbeit zu verrichten: Packen, packen, packen. Hatten wir viel Fisch im Netz, mussten wir sogar in Kick-Schichten arbeiten: Zu den ohnehin schon langwierigen zwölf Arbeitsstunden gesellten sich dann noch zwei endlose Überstunden! Bilder aus der Fabrik durften wir leider nicht machen - Betriebsgeheimnis. Aber eines verraten wir - der Renner, die Filetiermaschine, kommt aus Deutschland. ;)
6.45 Uhr werden wir wiederum abgelöst. Nun heißt es, Schürze von Fischresten und dich selbst von der schicken Arbeitskleidung (Overall, Handschuhe, Haarnetz, Gummistiefel etc.) befreien. Dann schnell je nach Tageszeit frühstücken oder Abendbrot essen (das Essen machte übrigens dem reichhaltigsten Hotel-Buffet Konkurrenz), duschen und vielleicht noch ein bisschen Frischluft an Deck schnappen. Gegen
8.00 Uhr (manchmal später) geht's ab in die Koje, um ein paar Mützen Schlaf zu bekommen bis die nächste Schicht ruft. Die Kajüte - klein, sauber, mit 2 Etagenbetten und eigenem kleinen Badezimmer - teilten wir uns übrigens mit einem Pärchen aus der anderen Schicht, so dass sie jeweils nur von zwei Personen genutzt wurde!

Voller Tatendrang auf
dem Weg in die Fabrik
Etwas Tageslicht, bevor
es ins Bett geht.

Wenn dich nichts umgibt als Wasser...  ;)
Die Kombüse (Galley)
            


 

7 Dinge, an denen du merkst, dass du eine Seefrau bist:
  • Tage und Datum verlieren an Bedeutung und du gehst auf's Deck, um am Stand der Sonne abzuschätzen, wie spät es ist (7 Uhr morgens oder abends?).
  • Man spricht dich nicht mehr mit deinem Namen, sondern nur noch mit "Mate" an. Welcome on board, mate. Sit down, mate. Thanks, mate. Sorry, mate.
  • Nur, wenn das Boot so richtig schön schaukelt, kannst du einschlafen.
  • "Fisch? Ich riech nix."
  • Du verfolgst den Wetterbericht nicht, damit du weißt, wie viele Lagen du morgen anziehen musst, sondern um herauszufinden, ob das Sturmtief weitere 24 Stunden für hohen Wellengang sorgt.
  • Dein Wortschatz dezimiert sich auf ein Minimum: "F***! That f***in' fish f***s me off!"
  • Zum Geburtstag gibt's Fischkuchen.
Die Crew
... bestand aus 44 Leuten. Neben zwei deutschen Touristinnen gab es Pakeha, Maori, Leute aus Tonga, von den Cook Islandes, aus Korea und Russland. Waren sozusagen ein richtiges Multi-Kulti-Boot. :) Entgegen unserer Vermutung gab es auch 13 Mädels an Bord - unserer Berechnung zufolge also mehr als 25% ... Frauenquote wir kommen! Die meisten Leute hier machen den Job schon seit ein paar Jahren oder haben es noch vor. Üblicherweise macht jedes Crewmitglied zwei Trips nacheinander und bekommt dann den darauffolgenden freien voll bezahlt. Nur die Offiziere und Supervisoren in der Fabrik arbeiten jeweils auf einem Trip und haben den nächsten frei. Sozusagen sechs Monate Urlaub im Jahr - die man bei 84 Stunden pro Woche aber wahrscheinlich auch braucht! :)

Die "Deckies"
                             
  
Eli, weltbester
Chefmechaniker



Die Fabrikleute
Zwischendurch...
... gab's eine kleine Überraschung: Da ein Kompressor aus der Fabrik ausgetauscht musste, mussten wir zweimal den Hafen von Lyttelton ansteuern. Beim ersten Mal war es etwa 6 Uhr abends. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für ein unbeschreibliches Gefühl es ist, LAND zu sehen. Und Dank Handyempfang konnten wir da auch kurz "nach Haus telefonieren"! :) Beim zweiten Mal, etwa eine Woche später, holten wir den Kompressor wieder ab. Da außerdem Fischmehl entladen werden und wir deshalb länger im Hafen bleiben mussten, hatten wir sogar zwei Stunden Landgang! Lyttelton kannten wir schon, das war ein umso vertrauteres Gefühl! "Shoppen" im Tante-Emma-Laden kann da schon mal Endorphine freisetzen! :)


Während der letzen zwei Tage auf hoher See hieß unsere letzte große Mission, die Fabrik auseinander zu nehmen und sie von jedem noch so kleinen Fitzelchen Fisch zu befreien! Eins ist dabei sicher - rechnet damit, dass ihr verdammt NASS werdet und Fisch plötzlich doch wieder riechen könnt... Ziemlich eklige Angelegenheit! :)
Nach fast sechs Wochen, die wir ausschließlich mit unserer Crew verbracht hatten, steuerten wir am 11. Juni, sogar einen halben Tag früher als geplant, endlich wieder den Hafen von Lyttelton an. Die San Enterprise war gefüllt mit ein paar hundert Tonnen Fischfilet, Fischöl und Fischmehl, so dass wir mit einem guten Bonus zusätzlich zu unserer üblichen Bezahlung rechnen können! :D

"Land!" - Blick auf die Ausläufer der Alpen hinter Timaru
Tja, was soll man sagen - die sechs Wochen an Bord vergingen - trotz anfänglicher Seekrankheit, Arthritis und einer kaum überblickbaren Masse an Schichten - doch verdammt schnell! Und eine zusätzliche Belohnung: Am Abend unserer Ankunft im Hafen konnten wir endlich auch ein Kotte-Mitglied mal wieder in die Arme schließen: Papa Lutz hatte es sich nicht nehmen lassen, für ein paar Wochen nach Neuseeland zu kommen, um uns zu besuchen und mit uns zu reisen! :D Davon berichten wir jedoch beim nächsten Mal! Hier hieß es zuerst, noch einmal mit der Crew und Papa im "Schlepptau" im Pub zu feiern - worauf einige schon seit dem Ablegen hingefiebert hatten, da an Bord jeglicher Alkoholkonsum untersagt war!

"The German girls" mit Pully, dem witzigsten Supervisor der Welt! :)
Unsere Motivationskünstler Ray & Simon, hier etwas straff
Cody, der Freezerman, Debbie, das Küchenmädchen
und Ana, eine der Trimmerinnen - noch Fragen? :)


Wer sich etwas intensiver für die Arbeit in der Fabrik interessiert, kann sich gerne nochmal diese Videos anschauen. Die Bilder stammen von einem anderen Schiff, kommen aber unserer Arbeit sehr nahe und werden auch für uns eine bleibende Erinnerung sein! :)
  1. Arbeit in der Fabrik (Das waren wir! :) )
  2. Der Job der Deck-Arbeiter
  3. Techniker für die Baader-Filetiermaschine
Nun heißt es "Lebewohl" zu sagen. Und man sollte es nicht glauben - auch hier fällt uns der Abschied mal wieder nicht leicht...
Farewell, San Enterprise! :D
Bis zum nächsten Mal!
Eure Sani und Claudia

1 Kommentar:

  1. Mann, ich liebe diese Schiffe. Die sind einfach Klasse. Suche seit 2000 nach Plänen, seit 2 Jahren baue ich an meinen eigenen, als Modell in 1,6m Länge.

    Ich würde alles für so eine Reise machen. Die gehen auch auf nur 10 Tagestrips, auch Hoki.

    Matthias
    antias@schiffsmodell.net

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