Freitag, 29. Juni 2012

Von der Großstadt in die unberührte Bergwelt

Hello again! 
Hagley Park: Der Stadtpark mit 
zahlreichen Sportplätzen, den Bota-
nischen Gärten und dem kleinen 
Flüsschen Avon, das sich durch 
die gesamte Stadt schlängelt
Wieder auf uns alleine gestellt wollten wir Christchurch bei unserem zweiten Besuch ein bisschen genauer kennen lernen, als es beim letzten Mal auf dem Weg in den Hafen von Timaru möglich war. Dankenswerterweise konnten wir uns noch zwei weitere Tage bei Margaret und Bruce (Larrys und Frans "mates") einnisten. Nicht nur, dass wir von ihnen mit lecker Lasagne und Wein verköstigt wurden, Internetzugang hatten und ein weiches XXL-Bett für uns allein beanspruchen durften. Die beiden konnten uns auch eine Menge über Christchurchs aktuelle Geschichte, die Erdbeben von 2010/11 und die geplante Zukunft der Stadt erzählen. Und waren zudem suuuuper nett! :) So kam es, dass wir den Rest unseres "Abschiedssonntages" noch einmal im Zentrum der Stadt verbringen konnten. Das Winterwetter war wundervoll und der Schnee, der Christchurch vor knapp zwei Wochen (übrigens pünktlich zu Vatis Ankunft) überfallen hatte, war inzwischen getaut. Also machten wir einen Alte-Damen-Spaziergang im Hagley Park im Herzen der Stadt. Neuseelands älteste Stadt ist aufgrund ihrer über 740 Parks, Sportplätze, Bäume und Grünanlagen als "Gartenstadt" bekannt und wurde 1997 sogar zur "Garden City of the World" erklärt.

Claudi vor dem Rosengarten



Vorm Fasanenbrunnen im Botanischen Garten,
im Hintergrund die Kunstgalerie

Im Anschluss leisteten wir uns eine Stadttour in einem Doppeldeckerbus, der bis Mitte der 80er Jahre sogar durch London gezuckelt ist - solch ein Original ist wohl ein Muss in der englischsten Stadt Neuseelands. Die Tour führte uns durch das Stadtzentrum und in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Christchurchs. Von allen Touren, für die wir bisher in Neuseeland Geld ausgegeben haben, war diese hier definitiv die lohnenswerteste und ist absolut zu empfehlen! Voller Informationen brachte uns der Tourguide mit einer großartigen Mischung aus Ernst und Humor diesen zerstörten Platz näher und half so, mit einem positiveren Gefühl wieder auszusteigen und mit optimistischem Blick in die Zukunft der Stadt zu schauen.

Die Uhr des an der Victoria Street befindlichen
Clocktower blieb genau zur Zeit des Februar-
Erdbebens
 um 12.51 Uhr stehen

Erdbeben in Christchurch
Durchschnittlich alle vier Stunden bebt in Christchurch die Erde, wenngleich der Mensch ein Beben erst ab einem Wert von 3.0 auf der Richterskala realisiert. Die Zerstörung der Stadt ging mit dem Erdbebevom 4. September 2010 einher (Stärke 7.1), das sein Epizentrum etwa 40 km von Christchurch entfernt in 10km Tiefe hatte. Menschen kamen nicht zu Schaden. Seither wurden über 11.000 Nachbeben gemessen! Auch das Beben, das die Innenstadt komplett zerstörte, war ein Nachbeben. Es ereignete sich am 22. Februar 2011, um 12.51 Uhr unter Lyttelton mit der Stärke 6.3 und forderte 181 Opfer.


Die Anglikanische Kathedrale von Christchurch, deren endgültiger Abriss nun beschlossen ist. Statt ihrer soll übergangsweise eine Kathedrale aus Pappe, Holz und Stahl entstehen, die Erdbeben besser standhält. Insgesamt müssen 160 der 240 historischen Gebäude der Stadt abgerissen werden.
Etwa 1500 aller zerstörten Gebäude kann man nicht
erhalten, bei einigen dauert die Abtragung bis zu
einem Jahr.
Die römisch-katholische Kathedrale am Rand des
Stadtzentrums soll in einem Millionen-Projekt
wieder aufgebaut werden.




Man spricht bei der Abtragung von "deconstruction" (Abbau) statt "demolition" (Abriss), da versucht wird,
50% des alten Baumaterials für den Wiederaufbau zu verwenden.
Tatsächlich hat sich seit unserem letzten Besuch vor ein paar Wochen in Christchurchs Zentrum schon irre viel gewandelt. Überhaupt scheint es eine Stadt zu sein, die sich inzwischen in stetigem Umbruch befindet. Neben dem unablässigen Baugeschehen und immer wieder neu entstehenden Parkplätzen, wo früher Wohnhäuser, Cafés und Kinos standen, finden sich vermehrt kleine neue Besonderheiten, wo man sie nicht vermutet - sei es ein Kunstmarkt, eine Galerie unter freiem Himmel oder ein von Schülern organisiertes Straßenkonzert.

Auf dem Weg nach Sumner am Stadtrand Christchurchs: Schiffscontainer sollen vorbeifahrende Autos und Fußgänger vor harabstürzendem Gestein schützen.
Doch auch aus dieser notwendigen Schutzmaßnahme wird Kunst: Diesen Schiffscontainer bedeckt eine Decke, die aus hunderten von Strickquadraten aus der ganzen Welt besteht - als Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls.
Abendlicher Blick auf Sumner und Christchurch. Hier lässt es sich wohnen! :)



Am nächsten Tag machten wir uns auf zur von Vulkanen und Franzosen geprägten Banks-Peninsula. Die zerklüftete Halbinsel südöstlich von Christchurch ist das Resultat der gewaltigen Ausbrüche dreier Vulkane. Einige Jahrmillionen später, im Jahre 1840, kamen die Franzosen angeschippert, um hier eine Kolonie zu gründen. Leider bekam der englische Gouverneur Hobson Wind davon und ließ nur fünf Tage vor deren Ankunft die englische Flagge hissen. Dennoch wurden die Franzosen sesshaft (wäre ja auch ein langer Heimweg gewesen) und sorgten für frongsösiesches Flair auf der Halbinsel. Klar, dass Sani einem Besuch nicht widerstehen kann! :)

Aussicht auf Akaroa, wo viele Straßen mit "Rue" beginnen, wir am Petite Maison vorbeikommen und uns die Trikolore entgegenweht.
Blick auf die French Bay


Aussicht auf Akaroa Harbour mit den drei Buchten Glen Bay, French Bay und Childrens Bay
Blick auf den modernen Leuchtturm Akaroas


 

Mit unserem wieder zum Schlafzimmer umgebauten Chally und zwei neuen Kopfkissen im Gepäck (Thanks, Margaret!) fuhren wir am Dienstag schließlich ins Landesinnere. Von den Südalpen durften wir ja schon kurz kosten, als wir mit unserem Papa von Timaru nach Nelson und zurück nach Christchurch gefahren sind. Und irgendwie hatten wir inzwischen genug vom Wasser, von Strandspaziergängen und Meeresbuchten. Gut, dass Neuseeland so unglaublich vielseitig ist und man nach nur ein paar Kilometern schon zum ersten Zweitausender kommt.

  
Blick auf Mt. Hutt: Nur 60km von Christchurch entfernt befindet sich hier ein kleines, aber kostengünstiges Skigebiet.

Lake Tekapo im Mackenzie Basin
Lake Tekapo ist ein Dorf am gleichnamigen türkisblauen Gletschersee und ein wunderschönes Plätzchen im Herzen der Südinsel. Hier begegnet uns nun nach fast 17 Monaten auch der Winter, wie wir ihn von zu Hause kennen, sogar mit mehr Sonnenschein! :) Doch nicht nur tagsüber ist der Ort einen Besuch wert, er hat auch ein aufregendes Nachtleben: Dank der Lage auf dem 45. Breitengrad, stabilen Wetterbedingungen, wenig Lichtverschmutzung und somit der klarsten Luft in der südlichen Hemisphäre finden sich hier ideale Bedingungen zur Beobachtung des Sternenhimmels!

Vor dem Lake, der eigentlich in tiefem Blaugrün erstrahlt ("Es wirkt eben ni!";) )

Die Türkisfärbung des Sees ist übrigens dem Gletschermehl zu verdanken. Dies ist feiner Abrieb, den die Gletscher in den Alpen aus dem Gestein schaben. Durch kleine Gletscherflüsse wird der Abrieb in die Gletscherseen transportiert und das einfallende Sonnenlicht tut sein Übriges. So kann es sein, dass sich Farbe und Farbintensität im Tagesverlauf verändern. Nachts war der See jedenfalls schwarz.



Das wohl meistfotografierte Denkmal
Neuseelands, ein treuer Collie, der
zum Mt. John hinaufblickt
Die kleine 1935 errichtete Hochzeitskirche "The Good Shepherd", die anstelle 
eines Altars durch ein riesiges Fenster den Blick auf den See freigibt. 
Nach einer klaren Nacht mit einer undefinierbaren Zahl an Sternen setzten wir unsere Reise durch das Mackenzie Basin am nächsten Morgen fort. Unser nächstes Ziel war der Mount Cook, mit 3754m der höchste Berg Neuseelands. In der Sprache der Maori wird er "Aoraki" genannt, was soviel wie "Himmelskratzer"bedeutet.

 


Die Straße zum Mt. Cook führt entlang eines zweiten Gletschersees, des Lake Pukaki, und endet als 55km lange Sackgasse mitten in den Alpen. Unser Zielort, das Dorf Mt. Cook Village, liegt also sozusagen "in the middle of nowhere" und zählt ganzjährig nur etwa 100 Einwohner.

Blick auf die Alpen von der Südseite des Lake Pukaki aus




Bei unserer Ankunft hüllte sich der höchste Berg Ozeaniens zunächst noch elegant in Nebel. Dennoch machten wir uns auf zu einer kleinen Wanderung am Fuß des Mt. Cook. In der hiesigen Touristeninformation kann man sich Tipps über viele kleine und größere Touren einholen, die spektakuläre Aussichten bieten und absolut empfehlenswert sind. Definitiv sollte man sich für diese Gegend hier mehr als ein paar Stunden Zeit nehmen, um die Atmosphäre zu schmecken, der absoluten Stille zu lauschen und die beeindruckende Landschaft aufzusaugen. Wir zehren noch immer davon, auch wenn wir uns erst einmal wieder gewöhnen mussten, im Schnee herumzustapfen. :)

Kaum stiefelten wir los, klarte der Himmel auf! Mount Cook in der rechten Bildhälfte mit dem Nebelschleier an der Bergspitze.
Unser Ziel war Kea Point, ein Aussichtspunkt auf  Mt. Cook und den Hooker Gletscher. Mt. Cook ist übrigens Mittelpunkt eines Nationalparks mit 19 Dreitausendern und über 140 Zweitausendern.
Am Aussichtspunkt angekommen. Die 493 Bilder, die wir unterwegs vom  Mt. Cook geschossen haben, ersparen wir euch. :)
Im Anschluss wärmten wir uns im Heritage auf. Das wohl bekannteste aller neuseeländischen Hotels bietet nicht nur eine tolle Aussicht auf Mt. Cook. An der Hotelbar bekommt man die weltbeste heiße Schokolade (All-you-can-eat-Marshmallows inklusive). Und nebenan im Sir Edmund Hillary Alpine Centre kann man sich in Museum, Galerie, 3D-Kino und Planetarium über Leben und Werk des Mount-Everest-Erstbezwingers - über die Bergsteigerlegende Neuseelands - informieren.

Edmund Hillary in Lebensgröße. Er hat hier in den
umliegenden Bergen für sein Mt. Everest-Projekt
trainiert und kam immer wieder gern in die Gegend.


Die Nacht verbrachten wir damit, uns im Chally Nase, Ohren und Hintern abzufrieren. Dass wir inzwischen wieder öfter im Auto schlafen, hat uns noch nicht daran gewöhnen lassen, dass der neuseeländische Winter Einzug gehalten hat. Eine eisig kalte Dusche am Morgen in der Public Shelter hat den Frostbeulen noch die Krone aufgesetzt.* 
*(O-Ton Sani: "Ich will zu meiner Mutti!!!")

Eigentlich wollten wir am Morgen aufbrechen, um durch die Orte Twizel und Omarama ins etwa 200km entfernte Cromwell zu fahren. (Dort haben wir seit Langem endlich mal wieder einen Couchsurfing-Host!). Doch als wir den Rückweg nach Süden antreten wollten, fanden wir eine vom State Highway abzweigende Straße geöffnet, die tags zuvor schneebedingt noch geschlossen war. Die Strecke führte uns etwa acht Kilometer ins Tasman Valley hinein. Vom Parkplatz aus mussten wir etwa eine halbe Stunde über Geröll klettern, bis wir den "Blue Lake" und noch ein paar Höhenmeter weiter die Südspitze des Tasman-Gletschers erblicken konnten. Unbeschreiblich: Die Aussicht war einfach berauschend und alle Kraxelmühen wert!


Der größte Gletscher Neuseelands ist heute noch 19 Kilometer lang und bis zu 3 Kilometer breit. Er weicht jedoch, wie die meisten Gletscher der Erde, immer weiter zurück - etwa 30 Meter jährlich! Was hier wie grauer Schotter aussieht, ist in Wirklichkeit das von Geröll und Schlamm bedeckte und bis zu 600m dicke Eis, wie uns eine Infotafel vor Ort verriet.

 

Solltet ihr irgendwann einmal die Möglichkeit haben, zu diesem Plätzchen Erde zu kommen, kommt früh aus den Federn, wenn vielleicht noch keine Touristenströme hierher unterwegs sind. Wir hatten eine geschlagene Stunde ganz für uns allein und konnten die grandiose Aussicht ungestört genießen. Definitiv wieder einer der Höhepunkte unserer Reise!


Genießt das bevorstehende Wochenende! Wir ziehen weiter und werden euch bald wieder berichten!
Sani & Claudi

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